Zum Inhalt springen

Yoga und Selbstwirksamkeit

Selbstwirksamkeit

Psychische Widerstandskraft und der Resilienzfaktor „Selbstwirksamkeit“ tauchen in den letzten Jahren als Zauberworte auf, wenn es darum geht mit den beschleunigten Veränderungsprozessen unserer Gegenwart zurecht zu kommen.

Wie können wir in einer komplexer und schnelllebiger werdenden Welt, in der Privat- und Arbeitsleben immer fließender ineinander übergehen, Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten entwickeln um schwierige Situationen zu meistern und unsere Ziele zu erreichen?

In der therapeutischen Arbeit mit Yoga war der Aspekt der Selbstwirksamkeit im Sinne der mentalen Unterstützung in einem Heilungsprozess schon immer wichtig.  Als prozessorientierte Therapie ist Yoga im Wesentlichen ein Übungsverfahren. Dabei sprechen individuell erarbeitete Übungspraxen sowohl den Körper und Atem eines Menschen an als auch sein Fühlen, seine Wahrnehmung und seine Fähigkeit zur Ausrichtung.

Unter Selbstwirksamkeit, auch als Selbstwirksamkeitserwartung (self-efficacy beliefs) bezeichnet, versteht die kognitive Psychologie die Überzeugung, auch schwierige Situationen und Herausforderungen aus eigener Kraft erfolgreich bewältigen zu können. Geprägt wurde der Begriff 1977 von dem kanadischen Psychologen Albert Bandura.

Es geht um die Frage, wieviel Vertrauen ein Mensch in seine eigenen Fähigkeiten und Ressourcen setzt und welchen Einfluss diese Einstellung auf seinen Gesundungsprozess hat.

In unterschiedlichen Studien konnte nachgewiesen werden, dass sich eine hohe Selbstwirksamkeitserwartung positiv auf das emotionale Wohlbefinden auswirkt. Sie motiviert, Probleme aktiv anzugehen und sich von Rückschlägen nicht entmutigen zu lassen. In der Folge führt diese Überzeugung zu einem höheren Durchhaltevermögen.

Damit stellt Selbstwirksamkeit einen wichtigen persönlichen Schutzfaktor dar.

Besonders bei chronischen Erkrankungen konnte gezeigt werden, welche positiven Wirkungen die Selbstwirksamkeitserwartung auf den Krankheitsverlauf hat, also wenn ein Mensch Vertrauen in die eigene Kraft und Kompetenz entwickeln kann.

Selbstwirksamkeit setzt sich aus zwei Komponenten zusammen:

Kompetenzerwartung und Konsequenzerwartung

Kompetenzerwartung bezeichnet die Überzeugung ein bestimmtes Verhalten ausführen zu können.
„Ja, es gelingt mir, meine Yogapraxis ziemlich regelmäßig am Abend zu üben und die Übungen tun meinem Rücken gut“, könnte die Rückmeldung eines Klienten lauten.

Hilfreiches Erleben von Kompetenz ist meist nicht statisch, sondern wird immer dann erlebt, wenn die gestellten „Aufgaben“ mit den gerade subjektiv erlebten Fähigkeiten bewältigt werden können. Eine Yogapraxis sollte in der gemeinsamen Sitzung so individuell passend erarbeitet werden, dass der Therapievorschlag später zu Hause selbständig umgesetzt werden kann. Bewährt hat sich dabei: Entlastung zu ermöglichen, Funktionierendes zu stabilisieren und die Anteile in der Person anzusprechen, die wenig von Leid berührt sind.

Konsequenzerwartung beschreibt die Überzeugung, dass dieses Verhalten dann auch zu einem gewünschten Ergebnis führt. D.h. durch meine Initiative kann ich eine positive gesundheitliche Veränderung bewirken. Erfahrungen zeigen, dass durch eine regelmäßig und selbständig geübte Yogapraxis eine Symptomverbesserung erreicht werden kann oder ein bestimmter Zustand erhalten werden kann bzw. eine Verschlechterung hinausgezögert wird.

Im Konzept der Selbstwirksamkeit geht es nicht um das Vertrauen in Hilfe von außen, sondern um das Erleben, dass ich selbst ein handelndes Subjekt bin und auf meine Gesundheit Einfluss nehmen kann. „Ich kann selbst zu meiner Heilung beitragen“, ist eine Erfahrung, die sich durch das regelmäßige Üben einer Yogapraxis meist von allein einstellt. Diese Erfahrung zu ermöglichen ist ein zentrales Anliegen in der therapeutischen Arbeit mit Yoga.

Verschiedene Aspekte beeinflussen die Selbstwirksamkeitserwartung in einer Lebensgeschichte; folgende drei sind für die yogatherapeutische Begleitung bedeutsam.

Eigene Erfolgserlebnisse
“Das habe ich schon einmal geschafft, das packe ich auch diesmal.”
Wer beispielsweise schon einmal Rückenschmerzen mit einer individuellen Übungspraxis lindern oder heilen konnte, traut sich dies auch zukünftig wieder zu.

Stellvertretende Erfahrung oder Modelllernen
„Wenn der das schafft, schaffe ich das auch.“
Profitiert ein:e Freund:in mit vergleichbaren Fähigkeiten in einer ähnlichen Situation vom Yogaüben, kann sich das auch auf die eigene Selbstwirksamkeitserwartung auswirken.

Verbale Ermutigung und Vertrauen anderer in die eigene Fähigkeit
„Du schaffst das!“
Als Yogatherapeut:innen bemühen wir uns um Entlastung und sprechen Hoffnung  auf Veränderung an. Wir geben Impulse um Ressourcen und Stärken des Klienten zu aktivieren, mit der Idee Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten zu entwickeln.

Prozessorientierte Yogatherapie hat ein hohes Potential die Selbstwirksamkeitserwartung zu vergrößern, wenn das Setting drei Komponenten beinhaltet:

  • eine vertrauensvolle Beziehung mit offenem Dialog zwischen Klient:in und Yoga-Lehrer:in,
  • das regelmäßige Üben der individuell angepassten Yogapraxis,
  • die Berücksichtigung der Erfahrungen die der/die Übende macht.

Dann können Symptomverbesserung, die Erfahrung, dass Veränderung möglich ist und die Erfahrung, dass wir selbst Einfluss auf das Geschehen nehmen können zur Selbstwirksamkeitserwartung durch Yoga beitragen.